Wikileaks und die Erinnerung an die US-amerikanische Invasion 1989

11/02/2011
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Der Skandal um die Veröffentlichungen von Wikileaks hat deutlich gemacht, wie stark die öffentlichen Medien in vielen Ländern der Kontrolle durch die USA unterworfen sind. Die veröffentlichten diplomatischen Depeschen und Berichte zeichnen ein Bild, welches ignorante, korrupte und teilweise verbrecherische Staatschefs und Präsidenten zeigt. Die großen US-amerikanischen Medienkonzerne mit ihren Fernsehkanälen und Presseorganen verdrehen die Informationen von Wikileaks und gaukeln vor, es handele sich lediglich um Meinungen von Regierungen und ihrer Funktionäre.
Besonders interessant ist allerdings die Verfolgung des Sprechers von Wikileaks, Julian Assange durch die US-amerikanischen Behörden, die damit der Welt zu beweisen versuchen, dass sich niemand „mit ihren Jungs“ anlegen darf. In Schweden wurde eine Anklage gegen Assange wegen sexueller Belästigung inszeniert. Einige Quellen identifizierten die sogenannten Opfer als Exilkubanerinnen aus Miami. Währenddessen bereiten Staatsanwälte in den USA Anklagen gegen Assange wegen „Terrorismus“ vor.
Fehlinformationen aus dem Auswärtigen Amt
Über Panama sind bislang wenig Informationen in den vier großen Medien New York Times, El País, The Guardian und Der Spiegel erschienen, die das Exklusivrecht zur Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente erhielten. Man kann davon ausgehen, dass diese nichts Neues enthalten. Wir wissen nur anhand der Nummern zu jedem entsprechenden internen Bericht, dass die Gerüchte und bewusst verfälschten Informationen der letzten zwei Jahrzehnte vom US-amerikanischen Auswärtigen Amt in die Welt gesetzt wurden.
Wir würden zum Beispiel sehr gern die Depeschen lesen, welche von der nordamerikanischen Botschafterin in Panama Anfang 2009 gesendet wurden und die Juan C. Varela dazu brachten, seine Präsidentschaftskandidatur aufzugeben und damit den Weg für den jetzigen Amtsinhaber Ricardo Martinelli frei zu machen. Und noch mehr interessieren uns die „cables“ vom Ende des Jahres 2010 über die Anstrengungen von Martinelli, seine Wiederwahl zu erreichen. Fast alle wissen, dass er nicht der gewünschte Kandidat der USA für die Präsidentschaft ist. Weshalb stehen die Diplomaten aus Washington so unter Druck?
Die offenkundige Einflussnahme und Einmischung aus Washington in die innenpolitischen Angelegenheiten Panamas ist nichts Neues. Sie haben Regierungschefs eingesetzt und sind mehrere Male in das Land einmarschiert. Für alle PanamaerInnen wäre es daher eine Pflicht, die Wahrheit zu kennen und eine Wiederholung zu verhindern. Es gibt allerdings eine Minderheit mit großen Machtprivilegien, die ein Problem damit hat, anzuerkennen, dass unser Land eine Republik mit einer Verfassung und Gesetzen ist, die respektiert werden müssen.
Die Invasion bleibt unvergessen
Die PanamaerInnen erinnern sich noch gut an die US-amerikanische Invasion von 1989 und sind noch immer sauer. Sie lehnen die Arroganz der Eindringlinge ebenso ab wie die Heuchelei ihrer Verbündeten. Die panamaische Bevölkerung muss jedoch zugeben, dass es sich zur Zeit nicht in der Lage befindet, diejenigen, die sich damals in die Machtpositionen hievten, entsprechend zu „belohnen“. Doch wird der Zeitpunkt kommen, an dem die „verlorene Herrschaft“, wie Hernán Porras einmal meinte, wiedererrungen wird. Und dann beginnt der Aufbau einer gerechten Gesellschaft ohne Armut und soziale Benachteiligung in Panama.
Die Medien in Panama verhielten sich sehr zurückhaltend, als es um die Berichterstattung und Wertung des nordamerikanischen Einmarschs und seiner Folgen ging. Die Regierungen der letzten zwanzig Jahre von 1990 bis 2010 zeigten Furcht vor der Regierung in Washington und übten keine Kritik. Ein Beispiel ist die noch immer unbekannte genaue Zahl der Toten während der Invasion. Die jungen Menschen wissen, dass 1989 nicht Panama in die USA einmarschiert ist. Und sie wissen auch, dass es nicht die StudentInnen waren, die US-amerikanischen Truppen angegriffen und den Panamakanal am 9.Januar 1964 besetzt hatten.
Es gibt ein kollektives Bewusstsein bei allen PanamaerInnen. Bei einigen ist es sehr stark, bei anderen eher oberflächlich ausgeprägt. Dieses Gefühl gehört jedoch zu jeder modernen Gesellschaft, deren BürgerInnen sich einer Nation zugehörig fühlen. Wir werden von der Familie, Schule und Gemeinschaft erzogen. Die Medien informieren uns. Um uns zu disziplinieren, bieten uns der Staat und seine Regierung eine Reihe von Symbolen an, die wir respektieren sollen. Das führt zu einem nationalstaatlichen Bewusstsein, für welches im äußersten Extremfall einige ihr Leben lassen, wie das bei den jungen Menschen während der Besetzung des Panamakanals der Fall war. Der Einmarsch der US-amerikanischen Truppen am 20. Dezember 1989 riss eine alte Wunde auf, die sich bis heute nicht geschlossen hat.
Wir alle sollten uns bemühen, zum Aufbau einer anderen Gesellschaft und Nation in Panama beizutragen. Wir sollten die Jugend bei ihrer Entscheidung unterstützen, zu studieren und sich in schöpferische Menschen zu verwandeln. Wir müssen gute Beziehungen zu allen Ländern aufbauen und die regionale Integration fördern. Und wir müssen verhindern, dass unsere Schwächen es erlauben, die erneute Invasion einer arroganten Supermacht mit noch mehr Toten und Zerstörung wie im Jahr 1989 zuzulassen.
Marco A. Gandásegui jr. ist Dozent an der Universität von Panama und forscht am Zentrum für lateinamerikanische Studien Justo Arosemena CELA (Centro de Estudios Latinoamericanos).
(Übersetzung: Poonal. Originalartikel: http://www.alainet.org/active/43066&lang=es)
https://www.alainet.org/de/active/44296?language=en
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